Die europäische Malerei des 19. Jahrhunderts charakterisiert eine entschiedene Hinwendung zur Farbe. Die vormalige Dominanz des zeichnerischen Klassizismus wich ab circa 1830 einer neuen sensualistisch geprägten Farbenkunst – gerade auch im deutschsprachigen Raum mit seinen Zentren Düsseldorf und München. Die in Deutschland tätigen Künstler der Romantik und des Realismus stehen ebenso im Fokus der Untersuchungen wie die deutsche Künstlerkolonie in Rom, die den künstlerischen Austausch zwischen den europäischen Nationen förderte. weiterlesen
Der damit verbundene internationale Transfer stellt einen wichtigen Aspekt der Forschungen dar. Die Innovation neuer Farbtechnologien und ihrer künstlerischen Anwendungen sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien begünstigte diese Entwicklung in der deutschen Kunstlandschaft. Obwohl es wertvolle Studien im Bereich der Farbproduktion und -chemie gibt, fehlt eine grundlegende Bearbeitung, um Aussagen a) hinsichtlich der Rezeption von industriell erzeugten Farben und Pigmenten im Sinne wissenschaftlich-technischer Neuerungen durch Künstler und Kunstschriftsteller sowie b) ihrer Übertragung in die Kunstpraxis treffen zu können. Hierbei spielen die Entwicklungsprozesse vom mehrschichtig-lasierenden zum pastosen Farbauftrag eine wesentliche Rolle.
Unsere Forschungen greifen dieses Desiderat auf und versuchen in enger Zusammenarbeit mit den Teilprojekten, Projektpartnern sowie renommierten Archiven, Sammlungen und Instituten, eine gravierende Lücke zwischen Technologie- und Kunstgeschichte zu schließen. Wichtige Bezugspunkte sind dabei die Farbstoffsammlungen, darunter die historische Farbstoffsammlung der TU Dresden, die durch die Dresdner Hochschule für bildende Künste erworbene Farbstoffsammlung, sowie die Sammlungen in Köln und des Landesamtes für Denkmalpflege in Halle.
Eine Grundlagenforschung mittels einschlägiger Quellenschriften, monografischer sowie technologischer Literatur und die systematische Aufarbeitung der deutschen Kunstzeitschriften zwischen 1820 und 1880 werden angestrebt.
Diese sollen die Rezeption der innovativen industriell hergestellten Farben durch Künstler und Kunstwissenschaftler, aber auch die Resonanz bedeutender Malereihandbücher beleuchten. Die Untersuchung spezifischer Künstler und deren Nachlässe soll exemplarisch erfolgen.
Schließlich wird die Auswirkung der von Gottfried Sempers früher Polychromieschrift (1834) ausgelösten Debatte um die Vielfarbigkeit der antiken Architektur und Skulptur auf die Farbverwendung in der Kunst- und Architekturpraxis des 19. Jahrhunderts dahingehend untersucht, inwiefern die Entdeckung der antiken Polychromie die Experimentierfreude der Künstler auf dem Feld der Farbstoffe und Farbtechnologien unterstützte.
Die Annäherung an das Thema erfolgt über verschiedene Quellen. Ausgehend von der Kunsttechnologie bildet besonders die Recherche in Zeitschriften und Künstlernachlässen den Schwerpunkt. Ergänzt wird sie durch Informationen über Farbfabrikanten, Kunstakademien und Ausstellungen.
Die hier zusammengetragenen Informationen sollen dann in Verbindung mit den aktuellen Forschungen zu spezifischen Künstlern exemplarisch auf Künstler des 19. Jh. im Hinblick auf unsere Fragestellungen angewendet werden. Ohne die Grundlage spezifischer Studien zu Materialbearbeitungen, wie etwa zu Carl Rottmann, Arnold Böcklin oder Vincent van Gogh, ist dies jedoch nicht umsetzbar. Den Rahmen bilden die Handbücher und Malereitraktate, etwa diejenigen von George Field, Michel Eugène Chevreul und Pierre-Louis Bouvier, in denen sich teilweise auch ältere Traditionen der Farbverwendung spiegeln. Die Eingrenzung der Untersuchungen erfolgt einerseits räumlich mit einer Beschränkung auf den deutschsprachigen Raum und andererseits zeitlich auf die Spanne von ca. 1820 bis ca. 1880.
Flankiert von den Tätigkeiten der Nazarener und Deutschrömer einerseits und den Anfängen der Impressionisten andererseits, liegt unser Fokus auf einer Zeit, in der sich die großen deutschen Kunstakademien mit internationaler Resonanz entfalten und mit der einsetzenden Industrialisierung in Deutschland wichtige Weichen für die Entwicklung von Künstlermaterialien gestellt werden. Die Innovation neuer Farbmittel und die intensive Beschäftigung mit Maltechniken begünstigen kunsttechnologische Betrachtungen. Es ist der Beginn der intensiven Auseinandersetzung des Künstlers mit seinen Malmaterialien, die ihm immer zahlreicher und in verschiedensten Varianten zur Verfügung gestellt werden und seine Arbeit mit Licht- und Farbeffekten innerhalb der Bilder begünstigen beziehungsweise überhaupt erst ermöglichen.
Zu berücksichtigen ist weiterhin der internationale Austausch von Materialien und Wissen besonders mit Großbritannien und Frankreich, die an den Entwicklungen des europäischen Farbenmarkts maßgeblich beteiligt waren. Fokussiert werden soll zunächst besonders die Rezeption und Resonanz der Entwicklungen neuer Farbtechnologien in den Zeitschriften, die sich den bildenden Künsten und ihren Techniken widmen.